Seit dem 23.03.2021 liegt die EVER GIVEN nun in Ägypten, zuerst quer im Suezkanal, nun „an der Kette“ im Großen Bittersee. Am 07.04. machte die Suez Canal Authority (SCA) als Eigentümerin, Verwalterin und Betreiberin des Suezkanals Schadenersatz in Höhe von 916 Mio. USD geltend und ließ Schiff und Ladung arrestieren. Dieser Umstand und die enorme Höhe des Schadenersatzes machen es unwahrscheinlich, dass das Schiff mit den von ihm transportierten ca. 18.000 Container seine Fahrt in Kürze fortsetzen kann. Was bedeutet das für Unternehmen, die ein wirtschaftliches Interesse an den Gütern haben und die Versicherungen, bei denen sie versichert sind? 

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Am 22.04.2021 haben die Eigner wohl „Widerspruch“ gegen den Arrest der SCA eingelegt. In einem Termin am 04.05.2021 vor dem zuständigen Gericht in Ismailia wurde das  Rechtsmittel der Eigner zurückgewiesen. Ein weiterer Termin soll nun am 22.05.2021 stattfinden. Sollten sich die Parteien nicht vergleichsweise einigen oder das Schiff gegen eine entsprechende Sicherheit freigegeben werden, wird es noch längere Zeit im Bittersee liegen bleiben. Verderbliche Ware könnte dann zerstört sein. Waren, die Gegenstand von Fixgeschäften waren, werden eventuell nicht mehr benötigt. Käufer könnten zwischenzeitlich wegen Lieferverzuges vom Kaufvertrag zurückgetreten sein oder sie nicht mehr benötigen, da sie vom Verkäufer oder anderweitige Deckungskäufe Ersatz erhalten haben.

In diesen Fällen stellt sich die Frage, was mit der Ware auf der EVER GIVEN geschieht und wer den entstandenen Schaden zahlt. Diese Frage stellt sich auf drei Ebenen: Auf der des Kaufvertrages, auf der des Transportversicherungsvertrages, wenn ein solcher abgeschlossen wurde und schließlich auf der des Transportvertrages, aufgrund dessen der Container auf der EVER GIVEN transportiert wird.

KAUFVERTRAG

Waren, die sich auf der EVER GIVEN befinden, kommen überwiegend aus Asien. Ein grenzüberschreitender Kaufvertrag dürfte daher die Regel sein. Auf solche Verträge ist häufig das CISG (sog. UN-Kaufrecht) anwendbar, wenn es nicht ausgeschlossen wurde. Bei Anwendbarkeit des CISG wird die Transportgefahr ebenso wie bei Anwendbarkeit des BGB häufig mit Übergabe der Sendung durch den Verkäufer an den ersten Frachtführer auf den Käufer übergehen (Art. 31 CISG). Den Schaden trägt dann im Fall der Güter auf der EVER GIVEN also der Käufer. Häufiger ist die Gefahrtragung aber entweder individuell oder aber durch Einbeziehung der Incoterms® 2020 oder früherer Versionen in den Kaufvertrag geregelt. In den Incoterms® ist die Transportgefahr und die Verpflichtung zur Eindeckung einer Transportversicherung geregelt. Die Regelungen in den einzelnen Klauseln reichen dabei von einem Übergang der Transportgefahr bei Abholung bis zum Übergang bei Ablieferung. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass unabhängig von der Gefahrtragung beide Parteien einen Schaden erleiden können, beispielsweise wenn der nicht die Gefahr tragende Empfänger seinem Kunden gegenüber nicht liefern kann und im Verhältnis zu diesem Schäden zu tragen hat, die sein Lieferant nicht ersetzen muss.

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